Szenario: Eine Regennacht in einer südwestdeutschen Großstadt, vor dem einschlägig bekannten Szenentreff innerhalb der Bannmeile, gleich hinter dem Strich, dem durchgezogenen auf der vorfahrtberechtigten, regennassen Kreisstraße. Dabei sind: Z, drei, Zielfahnder, T, das Ziel, hier Täter, später noch S, der Staatssekretär. Wir haben uns zu Zweit solidarisch den Zielfahndern angeschlossen, als Bürgerwehr, sozusagen. Und jetzt fährt wieder ein Maybach vor, jetzt schon der dritte, Spritzwasser, prompt sind wir verdreckte Ermittler, die Zigaretten im Novembersturm längst ausgegangen, die Hutkrempen aufgeweicht, Schlagregen auf unsere Trenchcoats. Nach Stunden endlich löst sich eine stattliche Gestalt in einem langen, dunklen Ledermantel aus dem Halbdunkel des observierten Gebäudes, kommt auf uns zu …

Z: Halt, stehen bleiben, Sie sind festgenommen!

Ging wirklich schnell, Handschellen klicken links und rechts, echte Profis, und er:

T: Was werfen sie mir vor:

Z: Mann, ist doch klar, massenhafte Verbreitung von Schriften mit pornographischem Inhalt!

T: Kann ich meinen Anwalt …

Z:  … ist wegen der besonderen Schwere des Falls nicht zugelassen!

Wir zwängen uns zu sechst in den Ford, wir denken spontan an das Platzangebot in dem Maybach. In der Wache angekommen gleich ins Verhörzimmer, T allein hinter dem Tisch im grellen Scheinwerferlicht, wir davor im Halbdunkel, im Gegensatz zu T jetzt mit einer Tasse heißen, dampfenden, guten Filterkaffees ausgestattet. Nein, nein, nicht so ein Durchschnittsaroma, jahraus, jahrein, sommers wie winters gleich, sondern Kaffee aus ganzen Bohnen, die vermutlich direkt aus Hamburg bezogen und dann auf kleiner Flamme sorgfältig geröstet wurden. D a s können die wirklich hier, Kaffee kochen. Sofort beginnt ein knallhartes Verhör. Dabei wechseln sich die Ermittler geschickt ab, ein Kreuzverhör eben, die Fragen abwechselnd aus der Tiefe des Raums, wenn hier auch der Einfachheit wegen jeweils nur mit „Z“ wiedergegeben. Ganz beiläufig können alle so auch ihren Kaffee goutieren, außer T, natürlich. Atemlos hören wir zu:

Z: Abartig …

T: Ja, bitte?

Z: Wir überwachen seit 12 Jahren Ihre Computer, alle Ihre Briefe, Fax, sms-se und e-mails. Wir sind auf Unglaubliches gestoßen, Sie schreiben vorwiegend, unerträglich und aufdringlich sogar an Kinder ständig „Lieber Peter“ und „Liebe Marianne“!

T: Das ist doch die höfliche deutsche Briefform, ich bin Jahrgang 36, und an meine Enkelkinder kann ich doch  ……..

Z: Eben nicht, schreiben Sie doch ordentlich

„Peter“, oder „Hi Peter“, oder „Hallo Marianne“, oder „Hallo zusammen“ wie allgemein üblich, und dann noch am Ende

„Herzlichst“, das klingt nach offenem Brustkorb, wie bei den Azteken, und dann an anderen Stellen dieses anbiedernde „Dein“. Das ist doch unverantwortlich, klingt nach Hin- und Selbstaufgabe, und ist daher direkt der Szene zuzuordnen. Der Gipfel: Auf „Ergebenst“ sind wir auch gestoßen …

T: Das war doch nur einmal, direkt an den Ministerpräsidenten, der Versuch ….

Z: Eben, deswegen mussten wir ja auch eingreifen, allein der Versuch ist strafbar! Warum benutzen Sie am Schluss nicht wie üblich „Servus“, „Tschüss“, „Ciao“, oder, regiospezifisch „Uff Wiederluugen“!
Aber jetzt kommen wir zum Kern unserer Vorwürfe: Diese widerlichen Einzelheiten, von Ihnen unter „Hänsel und Gretel“ vervielfältigt …

T:  Das sind doch die Wunden der deutschen Volksseele, von den Gebrüdern Grimm …

Z: Genau davon sprechen wir doch, einfach grimmig, und jetzt ziehen sie auch noch Geschwister in die Sache rein. Weiter zu diesen diskriminierenden Beschreibungen und hässlichen Texten über Beiwohnen, Beischlafen …..

T: Meinen Sie meine Kommentare zu Charles Bukowski?

Z: Charles Bronson? Den Musikliebhaber? „Spiel mir das Lied vom Tod“? Schon wieder so einen Szenenbezug! Dann all diese pikanten Unterstellungen zu ehrwürdigen Texten von Goethe, Böll und Grass! Und jetzt öffnen Sie endlich Ihren Mantel!

T: Das ist mir peinlich.

Z: Das ist uns klar. Jetzt sofort, sonst …

T öffnet im vollen Scheinwerferlicht seinen Mantel weit, wir, eher mit durchschnittlichen sexuellen Vorlieben ausgestattet, und mit diesen Accessoires überhaupt nicht vertraut, erstarren. Z weiter:

Z: Aha. Wir ahnten es ja schon. Und dann auch noch schwarz, wo doch die Trendfarbe rot ist! Wir müssen bei klarer Beweislage vor dem Haftantritt jetzt noch ein Psychogramm aufnehmen. Ich nenne Ihnen 4 Begriffe, und Sie antworten spontan:

Pauli-Verbot?

T: Vereinfacht ausgedrückt, zwei Elektronen in einem Orbital dürfen nie parallelen Spin haben.

Z: Blößen nichts als Blößen! Es geht darum, dass man in öffentlichen Auftritten Blößen zu bedecken hat! Ein echter Stoiperstein, wenn Ihnen wenigstens noch Staatskanzlei eingefallen wäre! Jetzt weiter

Latex?

T: Eine Verallgemeinerung für Gummiprodukte aus dem milchähnlichen Saft der Kautschukpflanze …

Z: Falsch, genau weiß ich es zwar nicht, hat aber mit Handschuhen und dem Pauli-Verbot zu tun, und jetzt noch

Bohlen? 

T: Dicke Bretter, nicht ganz Balken, vorzugsweise aus Tanne oder Kiefer.

Z: Super! Star werden Sie so nie, auch wenn wir noch so lange suchen! Mann, wieder so eine untaugliche Antwort. Und jetzt weiter mit

Präphilatelie?

T: Bezahlung von Sendungen vor Erfindung der Briefmarke? Oder meinten Sie Pädophilie?

Z: Äh, äh, …………..

Aber hier, um 02:14,  wurden wir unterbrochen; Getöse vor der Tür, dann 2 Bodyguards, und dann tatsächlich e r, unrasiert, der Staatssekretär! Wir kannten ihn nur aus der Presse, dicht hinter ihm mehrere Fotografen, Journalisten und Journalistinnen …

S (zu den Journalisten): Und hier sehen Sie einen neuerlichen Erfolg meiner, äh, unserer gründlichen Arbeit, wir haben hier wieder mal so ein Subjekt einen ……

Blickt zu T, und dann, sichtlich beunruhigt ….

S: Um Gottes willen, Herr Professor Dr. Bartig, was machen Sie den hier?

Zischt dann zu uns Fünfen:

S: Sie Pfeifen, wissen Sie denn nicht, wen Sie hier vor sich haben? Herrn Professor Dr. med., Dr. rer. nat., Dr. rer. pol., Dr. phil, Dr. h.c., Dr. h.c. A. Bartig, den bekanntesten Sexualwissenschaftler, Germanisten und Philosophen der nördlichen Hemisphäre, der letzte Wissenschaftler von Weltruhm, der freiwillig in unserem Bundesland geblieben ist, und erst kürzlich für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde! Ich versichere Ihnen, das wird für Sie nach kurzem Vorspiel einen steilen Höhepunkt und dann noch ein Nachspiel haben ….

Z: Herr Staatssekretär …bei allem Respekt … Ihre Wortwahl ….

Und S jetzt wieder zu T:

S: Herr Professor Dr. Bartig, jetzt mal ganz unter uns, warum gehen Sie mit diesem Mantel durch die Nacht?

T, bzw. Prof. B.: Es ist nass, November, die Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Ein Erbstück von meinem Großvater, kaum benutzt. Und so lange Greenpeace das Tragen von Tierhäuten nicht verbietet ….

S: Und, äh, das kleine Schwarze darunter?

Prof. B.: Anders wäre ich in den Szenentreff ja gar nicht rein gekommen, so ähnlich gehen Sie doch manchmal auch vor.

S: Mit Verlaub, warum waren Sie überhaupt im Milieu?

Prof. B.: Für mein neues Großforschungsprojekt musste ich dringlich und kurzfristig noch drei hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sprechen. Die 3 Herren aus Politik, Wirtschaft und Kirche sind nun mal nur donnerstags dort ….

Der Staatssekretär jetzt zu den Journalisten und Fotografen

S: Meine Damen und Herren, bitte vergessen Sie diesen Vorfall, im Gegenzug hätte ich noch ein paar delikate Informationen zu unserem politischen Gegner …

Und wieder zu uns, barsch:

S: Eines sage ich Ihnen, bringen Sie das sofort in Ordnung, meine und des  Ministers einzige und letzte Chance. Und noch eine dringliche Empfehlung: Erfüllen sie ihm j e d e n Wunsch.

T: Eine Tasse Kaffee, bitte.

Wie gesagt, wir waren zum ersten Mal dabei, und wir haben auf Anhieb nicht Alles verstanden. Aber geht Ihnen das nicht genauso?

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