Der „ubiquitäre“ TOC-Eintrag aus der Umgebungsluft

Von Wolfgang Woiwode

Die Bestimmung von Gesamtkohlenstoff (Total Organic Carbon, TOC) nach Ph. Eur. 2.2.44 ist ein anerkanntes Verfahren der Spurenanalyse rein wässriger Spül- und Wischproben aus der Reinigungsvalidierung. Rückschlüsse auf kohlenstoffhaltige Rückstände von Wirk- und Hilfsstoffen, Lösungsmitteln, Reinigungsmitteln, ganz allgemein, von Kontaminanten können mindestens als „worst-case“-Betrachtung gezogen werden. Nach unserem Eindruck werden in Validierungsvorhaben bisweilen unrealistisch niedrige TOC-Akzeptanzkriterien für Spül- und Wischproben gereinigter Oberflächen festgesetzt. Mit diesem Beitrag wollen wir daher Hintergründe aufzeigen, die bei der Festlegung von Akzeptanzkriterien berücksichtigt werden sollten.

Luftgetragene, kohlenstoffhaltige Partikel und Moleküle sind „allgegenwärtig“, ubiquitär. Parfüm, Lösungsmittel, Rauch, Abgase und Fäkalien können olfaktorisch leicht wahrgenommen und differenziert werden, wobei natürlich nicht alle diesbezügliche Quellen für die Reinigungsvalidierung relevant sind. Zum Nachweis luftgetragener Organik haben wir ein einfaches Experiment entwickelt: 12 Gefäße werden mit je 50 mL Reinstwasser gefüllt. Der TOC-Gehalt wird sofort, dann nach 2, 4, 6, 8 und 24 Stunden jeweils mit N=2 bestimmt. Die TOC-Aufnahme in den zeitabhängig gelagerten Proben ist dann vom Querschnitt der Grenzfläche Wasser/Luft, der durch die Geometrie der Gefäße vorgegeben ist, der Lagerdauer, und natürlich vom TOC-Gehalt der Umgebungsluft abhängig. Wir haben Beispiele in ruhender Luft, in denen die TOC-Aufnahme linear mit der Zeit ist. Für uns war es zunächst überraschend, dass eine Beispielmessung an der Außenluft (grüne Rauten) deutlich geringere TOC-Einträge belegte, als in einem vermeintlich „sauberen“, lösungsmittel- und rauchfreien Laborbereich (rote Quadrate, Abbildungen 1 und 2).

Wir haben die Messpunkte einer linearen Regressionsrechnung unterworfen (Abbildung 1), obwohl diese nur begrenzt anwendbar ist, weil zeitabhängige Konzentrationsänderungen der Organik in der Luft unterschiedliche Anstiege bedingen (Abbildung 2). Dennoch vermitteln beide Abbildungen einen Eindruck von der Stetigkeit der Zunahme. Auffällig ist die Kluft zwischen „innen“ und „außen“ mit einem am Beispiel dieser Messungen gefundenen Faktor 14. In der weiteren Analyse ist aber leicht zu erschließen, dass bereits ein Luft“kubus“ von 20 m x 20 m x 20 m ein Volumen von 8000 m3 hat, ein Raum mit den Maßen 10 m x 5 m x 2,75 m jedoch nur 137,5 m3. Es ist im Innenbereich ganz einfach weniger Verdünnungsluft vorhanden. Der Mensch hat dabei eine selektive Wahrnehmung entwickelt: „frische“ Landluft, und Aasgeruch wird – evolutionsbedingt? – als unangenehm empfunden, und die olfaktorische Wahrnehmung dementsprechend eventuell überzeichnet. Umgekehrt werden anthropogen geprägte Gerüche, z.B. von Essen, Wein und Parfüm, sofern nicht zu ausgeprägt, toleriert. Mobile Organik, unabhängig davon, ob partikulär, oder gasförmig, setzt sich als Staub oder Schmauch, eventuell auch in einem temperaturabhängigen Gleichgewicht auf Flächen ab. Allein dies schon bedingt eine Anreicherung in geschlossenen Räumen.

Wir haben diese Versuche mehrfach in verschiedenen Räumen und Außenbereichen durchgeführt. Der stetige Anstieg des TOC-Gehalts im vorgelegten Wasser wurde jedes Mal bestätigt. In der Graphik haben wir den TOC in „parts per billion“ aufgetragen, wobei der Transfer auf die Kohlenstoffbelastung von Flächen auf direktem Weg nicht möglich. Es ist aber sicher so, dass ausnahmslos jede zunächst „absolut saubere“ Fläche – Metall, Glas, Teflon –  Beläge mit Organik aus der Luft annimmt.

Eine Spülprobe eines zuvor gereinigten, geschlossenen Glasbehälters für die Herstellung von Injektabilia kann nach unseren Messungen durchaus noch einen TOC-Wert < 0,5 ppm haben, sofern WFI für die Spülung benutzt wurde, und die Beprobung nicht zu lange dauerte. Dabei muss dieser Wert noch über das Volumen der Probe auf die Kohlenstoffmasse, und diese dann auf die beprobte, bzw. benetzte Fläche umgerechnet werden. Wischproben exponierter Flächen liefern durchweg TOC-Werte > 0,5 ppm, wobei der durchschnittliche Eintrag durch das swab-Besteck noch herausgerechnet werden kann. Ein Akzeptanzkriterium für Wischproben bzw. Flächen,  „< 0,5 ppm“ nach Korrektur, ist nach unseren Erfahrungen unrealistisch, eben der ubiquitären Beaufschlagung wegen. Dieser Grenzwert sollte Aqua Purificata und WFI in geschlossenen Systemen vorbehalten bleiben. Ein Herstellungsbetrieb, in dem Lösungsmittel, pflanzliche Drogen und z.B. Extrakte für die Herstellung von Oralia „offen“ gehandhabt werden, kann dann nach unserem Vorschlag deutlich höhere Akzeptanzkriterien festlegen, als ein Betrieb, in dem Injektabilia auf wässriger Basis hergestellt werden. Dies bleibt der Risikoanalyse nach Durchführung erster, exemplarischer Messungen vorbehalten.

 Abbildung 1                                          Abbildung 2

     

 

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