Wann ist trocken wirklich trocken?

Von Arno Bayerl und Stefanie Kempf

Schlüsselwörter: Arzneibuchanalytik, Trocknungsverlust nach Ph. Eur. 2.2.32 und USP <731>, Vortrocknung von Glasgeräten, Zeitabhängigkeit der Vortrocknung, pharmazeutische Qualitätskontrolle von Ausgangsstoffen, Zwischenprodukten, Halbfertigwaren und Fertigwaren

Key words: Compendial analysis, Loss on drying according to Ph. Eur. 2.2.32 and USP <731>, preparation of glassware, time-dependance, pharmaceutical quality control of starting materials, intermediates, bulk products and finished products

Die Bestimmung des Trocknungsverlusts ist ein zentrales Kriterium in der pharmazeutischen Qualitätskontrolle von pflanzlichen und tierischen Drogen, Ausgangsstoffen, Zwischenprodukten, Halbfertigwaren und Fertigwaren. Im Europäischen Arzneibuch ist diese Bestimmung im Kapitel Ph. Eur. 2.2.32 „Loss on drying“ beschrieben, häufig werden dafür Glasgeräte wie Bechergläser aus Borosilikatglas verwendet. Für die Konditionierung der Glasgeräte, die Vortrocknung,  wird vorgegeben, dass diese „under the conditions prescribed for the substance to be examined“ durchzuführen ist, unter den Bedingungen, die für die zu prüfende Substanz vorgegeben sind. Die „conditions“, die Bedingungen, sind vorrangig die Art der Trocknung und die Temperatur, damit verbunden die verwendeten Geräte, die Temperatur, der Druck und die Verwendung von Trockenmitteln, so wie in der Monographie, oder in der Prüfvorschrift festgelegt. Die Ph. Eur. macht dabei keine Angaben zur Dauer der Vortrocknung. In konservativer Auslegung könnte über die Zeit vorgetrocknet werden, die für die Trocknung spezifiziert ist, z.B. 4 h, 6 h, aber auch bis zu 18 h. Anders die USP, die nach <731>, „Loss on drying“,  für die Vortrocknung 30 Minuten vorgibt.

Ziel dieser Arbeit war die Überprüfung der Zeitabhängigkeit der Vortrocknung von Borosilikatglas 3.3. Dazu wurden in einem ersten Versuch sechs Bechergläser mit einem Nennvolumen von 100 ml unter Standardbedingungen von 100 °C – 105 °C über 30 Minuten getrocknet und nach Abkühlung auf Raumtemperatur im Exsikkator ausgewogen. Um festzustellen, ob die Masse der Bechergläser nach dieser Konditionierung bereits konstant ist, oder ob noch Feuchtigkeit nach unvollständiger Trocknung vorhanden ist, wurden weitere Trockenzyklen über noch einmal 30 Minuten, und anschließend noch dreimal 60 Minuten ergänzt.

Die Auswertung der ermittelten Daten zeigt, dass die Gewichtsdifferenzen zwischen zwei Wägungen und zum Ausgangswert der ersten 30 Minuten-Trocknung im Mittel unter 0,2 mg liegen und somit das Kriterium für die verwendeten  Glasgeräte laut USP <731> „Loss on drying“ von max. 0,50 mg erfüllen.

Massendifferenz [mg] zur Ausgangswägung 30 Minuten
 Gesamttrockenzeit  60 min 120 min  180 min 240 min
 Becherglas 1  0,92  0,40  -0,48  -0,14
 Becherglas 2  1,24  -0,38  -0,11 0,20
 Becherglas 3  -0,40  -0,20  0,82  -0,29
 Becherglas 4  -0,46  0,07  -0,02  0,20
 Becherglas 5  -0,85  0,02  0,40  0,01
 Becherglas 6  -0,36  -0,19  0,26  -0,36
 Mittelwert [mg]  0,02  -0,05  0,14  -0,06

Die Mittelwerte zeigen, dass nach 30-minütiger Vortrocknung keine Änderungen mehr resultieren, und die beobachteten, geringfügigen Abweichungen damit im Bereich des Wägefehlers liegen.

In einem weiteren Versuch wurde nun überprüft, ob, und inwieweit Borosilikatglas 3.3 bei Wasserkontakt in einer „Quellschicht“ Wasser aufnimmt, was nicht von vorneherein als „Ammenmärchen“ abzutun ist. Als worst-case Betrachtung wurden die 100 ml Bechergläser über mehr als 18 Stunden unter Wasser belassen („vorgequollen“), und anschließend auf einem Trockengitter an der Raumluft 2 Stunden getrocknet und dann gewogen.

Diese Borosilikatgläser wurden zunächst  über 30 Minuten bei 100 °C – 105 °C, und dann in einem weiteren Schritt noch einmal über 30 Minuten wiederum bei 100 °C – 105 °C getrocknet. Dabei zeigte sich, dass bei einer Massendifferenz von max. 3,3 mg und im Mittel 2,9 mg nach erster Trocknung über 30 Minuten kein weiterer Trocknungsverlust nach weiterer, 30-minütiger Trocknung gefunden wurde. Eine Quellschicht, sofern es sie überhaupt gibt, hat demnach keinen Einfluss auf die Vollständigkeit der Vortrocknung über 30 Minuten.

Als Ergebnis dieser Validierung der Vortrocknung von Borosilikatgläsern für die Verwendung zur Bestimmung des Trocknungsverlust nach Ph. Eur. 2.2.32 erachten wir es als gesichert, dass die Zeit von 30 Minuten für die Vortrocknung hinreichend ist. Eine weitere Trocknung, zum Beispiel über 4 Stunden oder gar 18 Stunden ist aus ökonomischen und ökologischen Gründen nicht sinnvoll. Die Dauer der Vortrocknung zählt damit nicht zu den „conditions prescribed“ laut Ph.Eur., und bestätigt die in der USP getroffene pragmatische Festlegung „30 Minuten“.

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